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1657 IX 19 und 1657 XI 6 Vertragswerk von Wehlau und Bromberg
     
Dieser Markstein in der Geschichte der preußisch-polnischen Beziehungen steht vor dem Hintergrund des Ersten Nordischen Krieges: Am 8. April 1525 hatte Albrecht von Brandenburg nach der Auflösung des Ordensstaates im Frieden von Krakau die polnische Lehnshoheit anerkannt. Diese Lehnshoheit endete 1657 mit dem Vertrag von Wehlau.
Bereits seit 1626, als schwedische Truppen im Herzogtum Preußen in Folge einer kriegerischen Auseinandersetzung gegen Polen einfielen, zeichnete sich ab, daß Brandenburg unweigerlich in den sich zuspitzenden polnisch-schwedischen Dualismus hineingezogen werden würde. Als 1655 schließlich der (dynastisch, wirtschaftlich und konfessionell motivierte) Krieg zwischen Polen und Schweden ausbrach, blieb Preußen zunächst neutral. Trotz seiner Lehnsabhängigkeit verhandelte es zeitweise sogar mit Schweden. Allerdings mußte Kurfürst Friedrich Wilhelm angesichts des raschen schwedischen Vormarsches in Polen und auch in Richtung Königsberg am 17. Januar 1656 den Königsberger Vertrag mit Schweden unterzeichnen. Dieser aufoktroyierte Vertrag unterstellte Preußen der schwedischen Lehnshoheit und zwang den Kurfürsten zu Abgaben und Waffenhilfe. Im Vertag von Marienburg 25. Juni 1656 erreichte Preußen einige (territoriale) Konzessionen, hatte sich jedoch weiter an der Seite Schwedens am Krieg gegen Polen zu beteiligen. Die Position Friedrich Wilhelms wurde gestärkt, als die preußischen Verbände in der Schlacht bei Warschau im Juli 1656 zu einem Sieg über Polen beitrugen. Nach diesem Erfolg erreichte Brandenburg am 20. November 1656 im Vertrag von Labiau von Schweden das Zugeständnis der Souveränität; Friedrich Wilhelm blieb dennoch zu Waffenhilfe verpflichtet.
Ab 1655 zeigte Österreich vermehrtes Interesse daran, Preußen für ein Bündnis gegen Schweden (und Frankreich) zu gewinnen. Polen, das militärisch, wirtschaftlich und innenpolitisch mit großen Problemen zu kämpfen hatte und international isoliert war, signalisierte Brandenburg seit 1655 Gesprächsbereitschaft und stellte sogar die Souveränität (1657) in Aussicht. Unter dem österreichischen Unterhändler Franz von Lisola begannen im Sommer 1657 Gespräche zwischen Brandenburg und Polen, an deren Ende dieser Vertrag stand, durch den das Herzogtum Preußen seine Souveränität erlangte und zudem territoriale Gewinne erzielte. Am 13. September unterzeichneten der österreichische Unterhändler Lisola sowie die preußischen Unterhändler Schwerin und Somnitz den Vertrag. Doch wurde der Vertragstext zunächst nicht veröffentlicht, da Preußen schwedische Repressalien fürchtete. Am 19. September leisteten die polnischen Unterhändler Gosiewski und Leszczynski trotz polnischer Bedenken die Unterschrift. Für einige Fragen (Gebietsabtretungen) wurden Nachverhandlungen vorgesehen, und eine Zusatzkonvention setzte bis zu einem Verhandlungsergebnis Art. 4 des Wehlauer Vertrages außer Kraft. Ab dem 30. Oktober trafen sich die Monarchen zu weiteren Verhandlungen in Bromberg. Vor einer Ratifikation mußten die strittigen Fragen geklärt werden, die in die Ratifikationsurkunden aufgenommen wurden. Am 6. November 1657 wurde der Vertrag schließlich durch die Monarchen in Bromberg in zwei unterschiedlichen Urkunden ratifiziert. Durch den Frieden von Oliva fand der Vertrag internationale Anerkennung.
Preußen ging aus diesem Vertrag souverän und außenpolitisch gestärkt hervor - eine Entwicklung an deren Höhepunkt 1701 die Königswürde stand. Der zweifellos "große diplomatische Erfolg" (Duchhardt/Wachowiak) brachte jedoch auch Probleme mit sich, zu denen im Inneren die Kriegskosten und v.a. die Auseinandersetzung mit den Ständen gehörten. Die Beziehungen zu Polen blieben auch nach dem Vertrag von Wehlau/Bromberg nicht ohne Konfliktstoff. Zu erwähnen sind hier die Differenzen um finanzielle und militärische Leistungen, um die Durchmarschrechte für Preußen, die Besetzung Draheims (Draheim, poln. Drahim, heute Stare Drawsko) durch Preußen (1668) und v.a. die im Vertragswerk vorgesehenen Vertragsbestätigungen anläßlich jeden künftigen Thronwechsels. Für Polen war die Entlassung Preußens in die Souveränität jedoch das kleinere Übel angesichts des sonst drohenden Zerfalls der Respublica. Der Verzicht auf die Lehnshoheit bedeutete das Ende des polnischen Einflusses im Baltikum und manifestierte die schwindende politische Bedeutung Polens in Europa (auch bedingt durch die Schwäche des politischen Systems in Polen selbst, als dessen Schlagwort das liberum veto gilt). Brandenburg übernahm in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts mehr und mehr die frühere polnische Führungsrolle.
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