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Dauser, Regina *
Dr. Regina Dauser, Akademische Rätin a. Z. an der Universität Augsburg



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Der Friede und der Kampf um die Begriffe – Friedensverträge als Authentisierungsstrategien im europäischen Mächtesystem

ISSN: 1867-9714

Gliederung:
1. Einleitung und »Werkstattcharakter«
2. Der »Kampf um die Begriffe«: Die Herrschertitulatur am Beispiel Maria Theresias (1740er Jahre)
3. Resumé
4. Literaturverzeichnis

Anmerkungen
Zitierempfehlung

Text:

1. Einleitung und »Werkstattcharakter« [1]
Vortrag, gehalten auf dem Workshop des IKFN »Pax Perpetua. Neuere Forschungen zum Frieden in der Frühen Neuzeit«, Osnabrück 23.10. – 24.10.2008. – Eine um methodologische Fragestellungen erweiterte Fassung des Beitrags soll im Jahr 2009 folgen.

 
Friedensverträge als Instrumente zur Festschreibung der Positionen im europäischen Mächtesystem – das ist mein Thema, das mich gegenwärtig beschäftigt und das ich Ihnen an einem Fallbeispiel aus meiner „Werkstatt“ näher bringen möchte. Eine sehr handfeste Umschreibung zur Bedeutung von zwischenstaatlichen Verträgen lieferte Anton Wenzel Graf Kaunitz, Mitglied der Geheimen Konferenz und späterer Staatskanzler Maria Theresias, in seiner berühmten Denkschrift von 1749, die ich einleitend bemühen möchte: Mit Bezug auf die französischen Bestrebungen seit dem 17. Jahrhundert, Lothringen zu erwerben, reflektierte Kaunitz die Bedingungen für die Behauptung angeeigneten Länder-Besitzes:
»Frankreich hat unter andern im vorigen Saeculo bey Lothringen erfahren, dass es nicht genug seye, dem rechtmäßigen Besitzer Länder hinweg zu nehmen, und sich deren mit Gewalt zu bemächtigen; Es fallen über Kurtz oder Lang Gelegenheiten vor, da dergleichen gewaltthätige Occupationen, wann sie nicht durch bündige Tractaten und Cessionen versichert seynd, wieder abgetreten werden müssten; […] Allein das Hauptwerck beruhet auf der Versicherung, und Conservation der Conqueten[2]
So Kaunitz in: Denkschrift des Grafen Kaunitz zur mächtepolitischen Konstellation nach dem Aachener Frieden von 1748, bearb. v. Reiner POMMERIN und Lothar SCHILLING, in: KUNISCH, Johannes (Hg.): Expansion und Gleichgewicht. Studien zur europäischen Mächtepolitik des Ancien Régime, Berlin 1986, S. 165–239, hier S. 211 [Hervorhebungen RD].
 
Hier wird klar konstatiert: Die dauerhafte Behauptung des Erworbenen hängt vom vertraglich festgeschriebenen Konsens mit den europäischen Mächten ab. Besondere Bedeutung, so ließe sich hier anfügen, kommt dem Friedensvertrag und seinem öffentlichen Charakter zu.

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2. Der »Kampf um die Begriffe«: Die Herrschertitulatur am Beispiel Maria Theresias (1740er Jahre)
 
Mit dem Konsens und der vertraglichen Festschreibung werde ich auch im folgenden argumentieren, allerdings nicht im Kontext des Ländererwerbs: Mit dem etwas kühnen Titel des »Kampfs um die Begriffe« möchte ich die Aufmerksamkeit nicht auf die Absicherung territorialer Zugewinne, sondern auf vermeintlich unproblematische, formelhafte Bestandteile, Begrifflichkeiten des zwischenstaatlichen Vertrags lenken, im konkreten Fall auf die Herrschertitulatur – und zwar gerade auf ihre Beweglichkeit, ihre Verhandelbarkeit, was Form und Ort im Friedensvertrag angeht. Kern meiner Überlegungen ist, dass gerade bei der Etablierung neuer Herrscher bzw. neuer Dynastien der Titulatur und ihrer Formulierung im zwischenstaatlichen Vertrag eine besondere Bedeutung zukommt und Titulaturen im Friedensvertrag genutzt werden, um Positionen im Mächtesystem festzuschreiben, klarzustellen – also zu authentisieren bzw. ggf. zu aktualisieren. Damit sind Fragen des Rangs, im weiteren auch des Zeremoniells auf europäischer Ebene berührt, die mit der Vorstellung einer »souveränen Gleichheit« der europäischen Staaten nach dem Westfälischen Frieden kontrastieren, vielmehr Hierarchien reflektieren.
Mein hier vorzustellendes Beispiel behandelt in mehrfacher Hinsicht einen besonderen Fall, denn die hier zu betrachtende Titulatur Maria Theresias birgt eine spezielle Problematik: Zwar konnte sie sich mit Fug und Recht seit Wahl und Krönung ihres Ehemanns Franz’ I. Stephan im Herbst 1745 als Kaiserin bezeichnen, doch bedeutete die kaiserliche Titulatur für sie keinerlei konkrete zusätzliche Kompetenzen auf völkerrechtlicher Ebene. Vielmehr war sie weiterhin klar auf die höchsten Herrscherwürden verwiesen, die ihr nach der Pragmatischen Sanktion, der Regelung der weiblichen Erbfolge ihres Vaters Karls VI., zustanden: das Königtum von Ungarn und Böhmen. Der Österreichische Erbfolgekrieg, der sich im Gefolge des Krieges um Schlesien mit Friedrich II. entspann, endete – sehen wir vom verlorenen Schlesien ab – mit der Bestätigung dieses Erbes. Sie selbst hat ihren rechtlichen Status bestechend klar formuliert, nicht zufällig in der Instruktion zu den Verhandlungen zum Aachener Frieden 1747/48, die den Erbfolgekrieg beendeten und in denen Kaunitz als Unterhändler fungierte:
»Dann ob Uns gleich die Kayserliche Würde, als gemahlin, anklebet; So kombt Uns doch in dieser eygenschafft nicht zu, Tractaten abzuhandlen, oder zu schliessen, sondern wir können in all= derley begebenheiten anderst nicht, als wie Königin von Ungarn und Böhmen angesehen werden.«[3]
Instruktion Maria Theresias an Kaunitz für die Verhandlungen in Aachen, 29.12.1747, Haus- Hof- und Staatsarchiv Wien (im folgenden: HHStA) Staatskanzlei (im folgenden: StK) FA 54, Konv. X.

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Aus dieser Perspektive stünde zu erwarten, dass Maria Theresia die ihr lediglich »anklebende« Würde nicht weiter auszuspielen gedachte – weit gefehlt. Vielmehr versuchte sie, ihre Position auf europäischer Ebene in zwischenstaatlichen Verträgen – an möglichst prominenter Stelle – mit der Aufnahme des Kaiserinnen-Titels zu festigen. In einer Situation, in der die Herrscherin sich mit ihrer Titulatur weder auf Tradition noch auf eine verbindliche einseitige Setzung verlassen konnte, wurde der zwischenstaatliche Vertrag das einzig denkbare Mittel. Wir haben hier die zum Prinzip der souveränen Gleichheit gegenläufige Diskussion der Rangordnung unter den europäischen Monarchen bzw. Staaten in quasi potenzierter Form vorliegen, und ich möchte an archivalischen Befunden aus den 1740er Jahren zeigen, dass gerade Titulaturen in den Präambeln von Friedensverträgen zeitgenössisch als ein besonders geeigneter Ort erscheinen konnten, um im Wettbewerb um Rangpositionen Vorteile zu erlangen. Mehr noch: Die Titulaturfrage barg das Potential, den Friedenswillen des Gegners auf die Probe zu stellen, in die Vorstellung vom Wesen des Friedens also die Anerkennung der Titulatur und somit der Positionierung im Mächtesystem als essentiell aufzunehmen.
Das Verhalten Maria Theresias im Vorfeld der Verhandlungen zu Aachen scheint mir in diesem Kontext bezeichnend: Es hatte sich bereits herausgestellt, dass Frankreich fundamental gegen die Kaiserwürde Franz I. Stephans und somit auch gegen die kaiserliche Würde der Königin von Ungarn und Böhmen anging. Im November 1747 hatten sich die Kriegsgegner Frankreich und Spanien geweigert, den Bevollmächtigten Maria Theresias für die Anreise zu den Aachener Verhandlungen Pässe auszustellen, in denen der kaiserliche Titel Maria Theresias aufgenommen werden sollte. Die Herrscherin deutete diesen Affront bei einem weiteren Beharren Frankreichs und Spaniens dahingehend, »daß mans die friedenshandlung mit Uns anzugehen auffrichtig nicht gemeint seyn.«[4]
Maria Theresia an Baron Reischach, 28.11.1747 (Beilage 70 zur Instruktion für Kaunitz), in: HHStA StK FA 54, Konv. XII. [Hervorhebung RD].
Wer also ihren Titel nicht anerkannte, wurde nicht als aufrichtig den Frieden wünschender Verhandlungspartner gewertet. Dieses Problem verzögerte durch die Nichtausstellung der Pässe für die Unterhändler nicht nur den Beginn der Verhandlungen, sondern zog auch einen Konflikt nach sich, in den sich vermittelnd der englische Bevollmächtigte Lord Sandwich einschalten musste. Mit der englischen Unterstützung im Rücken wurde gegen die französische und spanische Verweigerung zwar angegangen. Die Devise, die Maria Theresia für weiteren Widerstand in dieser Frage ausgab, war dann jedoch bezeichnenderweise zunächst eine defensive – »doch verlangen wir in dem fall, dz damit [Aufnahme des kaiserlichen Titels] nicht auszulangen wäre, dz friedens geschäfft anmit nicht aufzuhalten […].«[5]
Maria Theresias Instruktion für Anton Wenzel Graf Kaunitz, 29.12.1747, HHStA StK FA 54 Konv. X.

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Eine Kehrtwende war damit allerdings nicht beabsichtigt: Hier nun kommen wir wieder auf die besondere Qualität just des Friedensvertrages und seiner Verbindlichkeit für die Positionierung im Mächtesystem zu sprechen: Im Anschluss an die notfalls defensive Strategie für die Pass-Ausstellung fuhr Maria Theresia fort:
 
»In dem friedens Tractat selbsten aber, oder denen […] Praeliminarien, ist, so viel die Uns und Unsers hertzinniglich geliebtesten gemahls Kayser: May: und Liebden gebührende Titul betrifft, auf deren ausdruckung und einverleibung lediglich zu bestehen: als wordurch eo ipso die Kayser. Würde anerkandt wird, ohne daß es sich einer anderwärtigen aner=kandtnus bedörffete.«[6]
Ebd. [Hervorhebungen RD].
 
 
Auf der einen Seite sehen wir hier also das Bestreben, die Einigung mit den Verhandlungspartnern zu erlangen, auf der anderen Seite jedoch kein Aufgeben, sondern vielmehr ein – wenn auch riskantes – zeitliches Verschieben der Anerkennung der kaiserlichen Titul auf vertragliche Festlegungen im definitiven Friedensvertrag.[7]
Ebd.
Was allerdings überdies noch in diesem Zitat steckt, ist die Ausführung dessen, was ich bei meinen einleitenden Anmerkungen zur Praxis politischen Handelns dargestellt habe: Sobald der kaiserliche Titel sowohl Franz Stephans als auch Maria Theresias in einem rechtsgültigen, veröffentlichten Friedensvertrag oder Präliminar verankert war, mussten ihre Positionen als von den Unterzeichnenden anerkannt gelten (»ohne daß es sich einer anderwärtigen anerkandtnus bedörffete«). Sobald diese Tatsache geschaffen war, so die Kalkulation, bedurfte es angesichts des europäischen Konsenses im Vertrag auch keines ausdrücklichen, separaten Akts der Bestätigung des Kaisertums bzw. -titels für beide Herrscher – und genau diesem Ergebnis suchten Frankreich und Spanien bereits vom frühesten Zeitpunkt an entgegenzusteuern.

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Die Aachener Verhandlungen markieren nun nicht den ersten Versuch, Maria Theresias kaiserliche Titulatur zu positionieren: Zum Zeitpunkt des Aachener Kongresses war Maria Theresia vielmehr bereits von einem ursprünglich geplanten Maximalprogramm im Gebrauch der Titulatur abgewichen: Dieses Maximalprogramm hatte darin bestanden, zusammen mit dem Kaiserinnentitel auch Prärogative im Vertragswesen zu beanspruchen, die allein dem Kaiser zustanden. Gemeint ist zum einen das Vorrecht, in allen Vertragsausfertigungen in der Präambel als erste vor allen anderen Vertragspartnern genannt zu werden, während der Usus unter den europäischen Monarchen ansonsten zusehends die – allerdings nicht unumstrittene – alternierende Nennung der Vertragspartner in den verschiedenen Ausfertigungen war; der Begriff hierfür ist die Alternativa. Ein weiteres Beispiel ist die Unterschrift des kaiserlichen Bevollmächtigten auf der rechten Seite am Ende des Vertrages, während die Abgesandten der anderen Mächte linker Hand zu unterzeichnen hatten. Damit wurde die Position des Kaisers als des nach wie vor ersten unter den europäischen Monarchen unterstrichen. Im Dresdener Frieden 1745, der den Krieg mit Friedrich II. um Schlesien beendet hatte, war Maria Theresia tatsächlich mit dem Anliegen der Erststellung erfolgreich gewesen. In Subsidienregelungen in der Haager Konvention (Januar 1747) mit ihren Verbündeten im Erbfolgekrieg, England, den Generalstaaten und Sardinien, hatte sie ein weiteres Mal versucht, die besondere Dignität des Kaiserinnentitels durch die Durchbrechung der Alternativa unter Königen hervorzuheben und die Erststellung in der Präambel für sich zu reklamieren. Genau diese Erststellung jedoch wurde ihr – was sie mit deutlichem Unbehagen aufnahm – von ihren eigenen Bündnispartnern jedoch verweigert. Hier also hatte der Standpunkt gegriffen, dass man es auf völkerrechtlicher Basis mit der Königin von Ungarn und Böhmen zu tun habe, die ihren Kaiserinnentitel, der gleichwohl als Titulatur in den Vertrag aufgenommen wurde, nur aufgrund ihrer Ehe trug.[8]
Die Kommentierung der verweigerten Erststellung durch Maria Theresia in: Maria Theresias Instruktion für Anton Wenzel Graf Kaunitz, 29.12.1747, HHStA StK FA 54 Konv. X.
 
Eine vergleichbare Rechtsposition, allerdings noch mit schärferen Konsequenzen, formulierte in Aachen, ein gutes Jahr später, wiederum der französische Unterhändler Du Theil. Zwar wurde der Kaiserinnentitel nicht vollständig negiert, doch der französische Entwurf zum Friedensvertrag, der Kaunitz als Unterhändler zuging, bezeichnete die Herrscherin von der Präambel an als
 
»Sa Sacrée Majesté, la Serenissime et trés puissante Princesse Marie Therese, Reine de Hongrie et de Boheme, Imperatrice des Romains etc.a«[9]
Bericht des Grafen Kaunitz aus Aachen, 30.07.1748, Beilage: Projet de Traité definitif pour constater les Conditions de la Paix Generale, et proceder immediatement à leur execution, in: HHStA StK FA 61, Konv. LXXXVII.
- dies setzte sich durch den ganzen Vertragsentwurf fort. Du Theil argumentierte, so der Bericht des Grafen Kaunitz, dass im Friedensvertrag »das Wort Imperatrice,[10]
Hervorhebung im Original.
  nicht Vor sondern dem Titul Reine de Hongrie et de Boheme nach zusetzen seye, weilen Allerhöchst Dieselbe nicht in der Ersteren, sondern in der Letzteren Eigenschafft, als Pars-Contrahens in dem dermahligen Frieden angesehen werden könnten.«[11]
Bericht Kaunitz’ an Maria Theresia, 15.09.1748, in: HHStA StK FA 59, Konv. XLV, fol. 22r-35v, Zitat 31v-32r.

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Wir sehen: Hier sollte wiederum die bekannte Rechtsposition, über die sich auch der Wiener Hof völlig im klaren war, in die Tat umgesetzt werden: Der Kaiserinnentitel als solcher war akzeptiert, doch durch die Nachstellung der Imperatrice und die Betonung des ungarischen und böhmischen Königtums wurde noch einmal ein deutliches Zeichen für die klare Trennung von Kaisertum und habsburgischen Erblanden von Seiten Frankreichs gesetzt. Von dieser Position nun war Frankreich nicht bereit abzugehen, wiewohl Kaunitz in diesem Punkt Beharrlichkeit zeigte und auch auf eine bereits im Kontext der Präliminarverhandlungen erfolgte französische Verwendung der regulären kaiserlichen Titulatur Maria Theresias verwies.[12]
Vgl. ebd. fol. 32r: »Da ihm [du Theil] aber die Unstatthafftigkeit seiner Meinung vor augen zu legen, und unter anderen mich darauf zu beziehen nicht ermangelte, daß Frankreich selbsten seither dem Schluß der Praeliminarien, sich an die gewöhnliche Titulatur ohne Wiederspruch gehalten, so hat er wegen dieses Puncts nichts weiter wiedersetzet.« Was sich hier als Etappensieg Kaunitz’ liest, wurde allerdings durch den definitiven Friedensvertrag, dem Österreich lediglich beitrat, wieder konterkariert.
An eine durchgehende Erststellung der Kaiserin in allen Vertragsausfertigungen anstelle der Alternativa, wie man sie für den Haager Vertrag mit den Verbündeten noch erwogen hatte, war gar nicht erst zu denken.
Interessant erscheint hier, dass angesichts eines neuen Konflikts mit Frankreich nun noch einmal eine Anpassung der Zielsetzung vorgenommen wurde. Die französischen Bevollmächtigten verwendeten den Kaiserinnentitel, zweifelten jedoch nun gar die alternierende Nennung der Herrscherin mit dem französischen König in den Vertragsausfertigungen an. Der Alternative mit den europäischen Monarchen allerdings war nun eindeutig der Vorzug zu geben, und daher ging die klare Anweisung nach Aachen:
»Bey dem eingang [Präambel] kombt es lediglich auf die alternativam an; weßfalls in ansehung Unser kein anstand ist, absonderlich da das wort Imperatrice nachgesezet wird.«[13]
Maria Theresia an Kaunitz, 05.10.1748, in: HHStA StK FA 57, Konv. XXXII.

Es galt also, die Alternative, die die Gleichwertigkeit der Könige anzeigte, außer Zweifel zu stellen; die Aufnahme des Kaiserinnentitels an sich wurde hier als ausreichend gewertet. Kaunitz hielt an der Thematik fest, und tatsächlich wurde noch ein Teilerfolg erzielt: Der Friedensvertrag, dem Maria Theresia im Oktober 1748 letztendlich beitrat, variierte die Titulatur der Kaiserin dergestalt, dass in der Präambel zwar weiterhin der Titel der Imperatrice nachgestellt wurde, alle weiteren Nennungen der Kaiserin jedoch folgten der Wiener Titulatur einer Imperatrice Reine de Hongrie et de Boheme. Kaunitz’ volle Zufriedenheit traf das freilich noch nicht, aber seinen weiteren Interventionen wurde Einhalt geboten. Maria Theresias Reskript negierte seine Bedenken, die Nachstellung in der Präambel zuzulassen, beileibe nicht, beschied jedoch: »Ob besser seye, das wort Imperatrice[14]
Hervorhebung im Original.
vor- oder nachzusezen, ist problematisch, mithin Uns am ende gleichgültig, worzu sich dörfften entschlossen werden.«[15]
Maria Theresia an Kaunitz, 17.10.1748, in: HHStA StK FA 57, Konv. XXXII.
Die Formulierung der Herrscherin wirft Fragen auf: Haben wir es nun, nach den Anstrengungen der Vorjahre, plötzlich mit einer reduzierten Gewichtung der Titulaturfrage zu tun, die möglicherweise Tendenzen einer generellen Bewertung der Titulatur in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts spiegelt, oder galt die Akzeptanz der Wiener Titulatur außerhalb der Präambel von Aachen, die sich langfristig durchsetzte, außerhalb der Präambel der Kaiserin tatsächlich als ausreichend? Wie hoch ist der situative Druck einzuschätzen, in der Aachener Situation zu einem Vertragsabschluß zu kommen? Hier gibt es in vergleichender Perspektive – mein künftiges Arbeitsprogramm zeichnet sich ab – noch vieles zu tun, um die hier vorgestellten Befunde in einem weiteren Kontext zu gewichten.

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3. Resumé
 
Abschließend will ich noch einmal meine Perspektiven auf die geschilderte Problematik resümieren:
1. Auch noch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts standen Rangfragen dem Postulat der souveränen Gleichheit nach 1648 entgegen; allein im Kontext der Aachener Verhandlungen werden im diplomatischen Austausch anhand der Alternativa weitere Rangprobleme thematisiert, so das Zugeständnis einer alternierenden Nennung Preußens oder Sardiniens.
2. Der Fall Maria Theresias zeigt, dass der Titulatur im Friedensvertrag als einem öffentlichen zwischenstaatlichen Dokument ein hohes Potential – und d.h. auch: Konfliktpotential – für die Verhandlung von Rangfragen innerhalb des Mächtesystems zukommt. Friedensverträge beinhalteten die Möglichkeit, über eine Festlegung der Titulatur die Positionen im Mächtesystem zu authentisieren bzw. zu aktualisieren.
3. Die Klärung der Rangfrage über die Zubilligung der als angemessen empfundenen Titulatur wird zudem direkt mit der Vorstellung von einem aufrichtigen Frieden – im Sinne einer Anerkennung des Vertragspartners – verbunden. Ein an sich formelhafter Vertragsbestandteil wird somit zum Gegenstand der Diskussion, wird buchstäblich verhandelbar.
4. Eine aus meiner Perspektive noch nicht zu beantwortende Frage ist: Wie konstant ist die Gewichtung der Titulatur als Instrument der Authentisierung von Positionen im Mächtesystem? Wie stark ist also etwa das – freilich auch resignativ gestimmte – mehrfache Zurückweichen Maria Theresias bei der Durchsetzung des Kaiserinnentitels bzw. der kaiserlichen Prärogative im Vertrag zu gewichten? Erste Sondierungen meinerseits zur Etablierung Wilhelms III. von Oranien als englischer König im 17. Jahrhundert scheinen mir ein höheres Gewicht der Titulaturfrage anzudeuten, doch hier sind die ersten Befunde noch durch intensivere Studien zu ergänzen.

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4. Literaturverzeichnis
 

Denkschrift des Grafen Kaunitz zur mächtepolitischen Konstellation nach dem Aachener Frieden von 1748, bearb. v. Reiner POMMERIN und Lothar SCHILLING, in: Johannes KUNISCH (Hg.): Expansion und Gleichgewicht. Studien zur europäischen Mächtepolitik des Ancien Régime, Berlin 1986, S. 165–239.

DUCHHARDT, Heinz: Balance of Power und Pentarchie. Internationale Beziehungen 1700–1785 (Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen, Bd. 4), Paderborn u.a. 1997.

 
DUCHHARDT, Heinz: Peace treaties from Westphalia to the revolutionary era, in: LESAFFER, Randall (Hg.): Peace treaties and international law in European history : From the late middle ages to World War One, hrsg. von, Cambridge 2004, S. 45-58.
 
FISCH, Jörg: Krieg und Frieden im Friedensvertrag. Eine universalgeschichtliche Studie über Grundlagen und Formelemente des Friedensschlusses (Sprache und Geschichte, Bd. 3), Stuttgart 1979.
 
SCHILLING, Lothar: Kaunitz und das Renversement des alliances. Studien zur außenpolitischen Konzeption Wenzel Antons von Kaunitz (Historische Forschungen, Bd. 50), Berlin 1994.
 
STEIGER, Heinhard: Vorsprüche zu und in Friedensverträgen der Vormoderne, in: DUCHHARDT, Heinz / PETERS, Martin (Hg.): Kalkül – Transfer – Symbol. Europäische Friedensverträge der Vormoderne, Mainz 2006-11-02 (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Beihefte Online 1), Abschnitt 6-40. URL: https://www.ieg-mainz.de/vieg-online-beihefte/01-2006.html [02.06.2008].


ANMERKUNGEN

[*] Dr. Regina Dauser, Akademische Rätin a. Z. an der Universität Augsburg

[1] Vortrag, gehalten auf dem Workshop des IKFN »Pax Perpetua. Neuere Forschungen zum Frieden in der Frühen Neuzeit«, Osnabrück 23.10. – 24.10.2008. – Eine um methodologische Fragestellungen erweiterte Fassung des Beitrags soll im Jahr 2009 folgen.

[2] So Kaunitz in: Denkschrift des Grafen Kaunitz zur mächtepolitischen Konstellation nach dem Aachener Frieden von 1748, bearb. v. Reiner POMMERIN und Lothar SCHILLING, in: KUNISCH, Johannes (Hg.): Expansion und Gleichgewicht. Studien zur europäischen Mächtepolitik des Ancien Régime, Berlin 1986, S. 165–239, hier S. 211 [Hervorhebungen RD].

[3] Instruktion Maria Theresias an Kaunitz für die Verhandlungen in Aachen, 29.12.1747, Haus- Hof- und Staatsarchiv Wien (im folgenden: HHStA) Staatskanzlei (im folgenden: StK) FA 54, Konv. X.

[4] Maria Theresia an Baron Reischach, 28.11.1747 (Beilage 70 zur Instruktion für Kaunitz), in: HHStA StK FA 54, Konv. XII. [Hervorhebung RD].

[5] Maria Theresias Instruktion für Anton Wenzel Graf Kaunitz, 29.12.1747, HHStA StK FA 54 Konv. X.

[6] Ebd. [Hervorhebungen RD].

[7] Ebd.

[8] Die Kommentierung der verweigerten Erststellung durch Maria Theresia in: Maria Theresias Instruktion für Anton Wenzel Graf Kaunitz, 29.12.1747, HHStA StK FA 54 Konv. X.

[9] Bericht des Grafen Kaunitz aus Aachen, 30.07.1748, Beilage: Projet de Traité definitif pour constater les Conditions de la Paix Generale, et proceder immediatement à leur execution, in: HHStA StK FA 61, Konv. LXXXVII.

[10] Hervorhebung im Original.

[11] Bericht Kaunitz’ an Maria Theresia, 15.09.1748, in: HHStA StK FA 59, Konv. XLV, fol. 22r-35v, Zitat 31v-32r.

[12] Vgl. ebd. fol. 32r: »Da ihm [du Theil] aber die Unstatthafftigkeit seiner Meinung vor augen zu legen, und unter anderen mich darauf zu beziehen nicht ermangelte, daß Frankreich selbsten seither dem Schluß der Praeliminarien, sich an die gewöhnliche Titulatur ohne Wiederspruch gehalten, so hat er wegen dieses Puncts nichts weiter wiedersetzet.« Was sich hier als Etappensieg Kaunitz’ liest, wurde allerdings durch den definitiven Friedensvertrag, dem Österreich lediglich beitrat, wieder konterkariert.

[13] Maria Theresia an Kaunitz, 05.10.1748, in: HHStA StK FA 57, Konv. XXXII.

[14] Hervorhebung im Original.

[15] Maria Theresia an Kaunitz, 17.10.1748, in: HHStA StK FA 57, Konv. XXXII.



ZITIEREMPFEHLUNG

Dauser, Regina , Der Friede und der Kampf um die Begriffe – Friedensverträge als Authentisierungsstrategien im europäischen Mächtesystem, in: Publikationsportal Europäische Friedensverträge, hrsg. vom Institut für Europäische Geschichte, Mainz 2008-11-18, Abschnitt 1–6.
URL: <https://www.ieg-friedensvertraege.de/publikationsportal/dauser-regina-friede-2008>.
URN: <urn:nbn:de:0159-2009041448>.

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Erstellungsdatum: 28.11.2008
Zuletzt geändert: 15.04.2009