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Dr. Martin Peters, Koordinator und Sprecher des Projektes »Europäische Friedensverträge der Vormoderne online« (Institut für Europäische Geschichte, Mainz)



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Der Rheinbund von 1658 – Der schwierige Weg zu einer europäischen Perspektive

ISSN: 1867-9714

Gliederung:
Der Rheinbund von 1658 –
Der schwierige Weg zu einer europäischen Perspektive


Anmerkungen
Zitierempfehlung

Text:

Der Rheinbund von 1658 –
Der schwierige Weg zu einer europäischen Perspektive


1.
Wie sehr wissenschaftliche Urteile und Wahrnehmungen im Laufe der Zeit korrigiert und verändert werden, kann anschaulich im Spiegel des Rheinbundes von 1658 gezeigt werden. Im Gegensatz zu einer ganzen Reihe von Friedensverträgen und Bündnissen – ein so bedeutender Friede wie der von Rijswijk 1697 ist noch immer »absolute terra incognita« (Duchhardt)[1]
DUCHHARDT, Rijswijk 1998, S. 314.
  – ist der Rheinbund auf den ersten Blick sehr intensiv erforscht worden. Der Vertragstext selbst liegt seit dem 17. Jahrhundert in verschiedenen deutschen und französischen Editionen sowohl in der Originalsprache wie auch in Übersetzungen vor und ist mit der gerade online erschienenen Edition heute leicht zugänglich.[2]
Genannt seinen die Editionen im »Theatrum Europaeum« sowie  in den Sammelwerken von Fréderic Léonard, Jean Dumont, Johann Christian Lünig und Henri Vast. – Die Unterhändlerinstrumente in digitaliserter Form sowie eine moderne Edition von Andrea Schmidt-Rösler sind online verfügbar, siehe DUCHHARDT / PETERS, www.ieg-friedensvertraege.de.
Zudem gibt es eine reichhaltige und der Forschung gut bekannte Überlieferung. Wohl mangelt es durchaus nicht an Urteilen und Bewertungen, vor allem in der französisch-, deutsch- und englischsprachigen Historiographie und Geschichtswissenschaft. Meilensteine der Forschung sind die Werke namhafter Historiker und Juristen wie Johann von Heiss, François-Auguste Mignet, Erich Joachim, Alfred F. Pribram, Theodor Bitterauf, Roman Schnur und Karl Otmar Freiherr von Aretin, um nur einige wenige zu nennen, die maßgeblich das Bild vom Rheinbund von 1658 zwischen dem 18. und 21. Jahrhundert mitgeprägt haben.[3]
Vergleiche jetzt PETERS, Interpretationen des Rheinbundes 2008.
Auf den zweiten Blick aber fehlt es noch immer an einer Edition der Verhandlungsakten, und viele Detailfragen sind bis heute noch ungeklärt.[4]
PETERS/SEELMANN, Einführung 2008.
 

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Darüber hinaus hat der Rheinbund Anlass zu vielfältigen konträren Urteilen gegeben. Gerade in Frankreich und Deutschland wurde der Rheinbund ganz unterschiedlich wahrgenommen und interpretiert. Es war besonders schwer, eine europäische Perspektive auf den Rheinbund zu entwickeln, was erst nach dem Zweiten Weltkrieg nach und nach in den 1950er Jahren und dann vor allem in den 1980er Jahren erfolgreich gelang. Den Rheinbund als Vorläufer der europäischen Einigung zu interpretieren – zu erinnern ist an die gemeinsame Armee der Rheinbundpartner sowie an die durch den Rheinbund geschaffenen verschiedenen politischen und verfassungsrechtlichen Strukturen – wäre gewiss ein Anachronismus. Und dennoch lassen sich – unabhängig vom politischen oder wissenschaftshistorischen Kontext – Aspekte interdynastischer und grenzüberschreitender Aktivitäten durchaus herausfiltern.
Doch ist dies deshalb nicht geschehen, weil die Positionen der deutschen und französischen Historiographie zu weit entfernt waren. Die Rezeptionsgeschichte des Rheinbundes in Deutschland, Österreich und Frankreich divergierte nämlich und war lange Zeit bestimmt von einer dezidiert »positiven« französischen Wahrnehmung und der einer lautstarken »negativen« deutschen Beurteilung des Rheinbundes. Gerade die Perspektive in der deutschen und österreichischen Historie war emotional besetzt, die zugespitzt wurde auf die Frage nach der gemeinsamen und miteinander abgestimmten Handlungsfähigkeit der deutschen Dynastien des Heiligen Römischen Reiches, die – und das war der Hauptvorwurf gegen die am Rheinbund beteiligten deutschen Fürsten – bewusst durch den Beitritt Frankreichs und auch Schwedens zum Rheinbund aufs Spiel gesetzt wurde. Nicht Aspekte und Dimensionen europäischer Politik und (Völker-)Rechtspraxis wurden im Spiegel des Rheinbundes herausgefiltert, wie etwa noch ansatzweise im Westfälischen Frieden geschehen, sondern rein nationale, machtpolitische. Zwischen den Zeilen vieler deutscher Historiker des 19. Jahrhunderts schimmert die Szene des Faust in der Person des als gelehrt und zugleich ohnmächtig dargestellten Mainzer Fürstbischofs Schönborn durch, der – aus menschlichen Beweggründen, friedfertigen und edlen Zielen – einen Kontrakt mit dem Teufel – Ludwig XIV.[5]
Dabei hatte der bei Abschluss des Rheinbundes junge König noch gar nicht die politischen Fäden in eigenen Händen.
bzw. Frankreich – eingeht, sich so in Abhängigkeit begibt und seine Handlungsfreiheit verliert.

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2.
Doch zu Zeiten des Rheinbundes von 1658 waren noch der französische König und Frankreich nicht die Erzfeinde der Deutschen, für die sie später gehalten wurden. Auch orientierten sich deutsche und französische Historie vor dem 19. Jahrhundert noch keineswegs an der Kategorie Nation. Gerade diejenigen Historiker widmeten sich in ihrem Urteil eher »neutral« dem Rheinbund, die mit deutscher und französischer Kultur gleichermaßen vertraut waren. Mit seiner engen deutsch-französischen biographischen Verflechtung ist der Elsässer Johann von Heiss (gest. 1688), der als kurpfälzischer Resident am französischen Hof tätig war, ein Grenzgänger der deutschen und französischen Wissenschaftslandschaft. Er publizierte 1684 eine in Amsterdam erschienene, mehrbändige französischsprachige »Histoire de L’Empire, contenant son origine, son progrès, ses révolutions«, die später mehrfach neu aufgelegt wurde. Hierin geht er auch auf den Rheinbund ein und deutet ihn positiv als Instrument zum Schutz und Erhalt des Westfälischen Friedens.[6]
HEISS, Histoire de L’Empire 1733, S. 228—229.
 
Auch der Elsässer Christian Friedrich Pfeffel (1726—1807), der enge Beziehungen zur Universität Göttingen pflegte und so den Transfer zwischen der französischen und deutschen Wissenschaft, vor allem der Historie und Statistik, förderte, weist in seiner vielbeachteten Studie aus dem Jahre 1776 dem Rheinbund drei Bedeutungen zu: nämlich Garantie des Westfälischen Friedens, Schutz der Rechte der Reichsstände und Instrument zur Einflussnahme der französischen Krone in die Angelegenheiten des Deutschen Reiches. Mit dieser mehrschichtigen Positionierung gelingt Pfeffel ein durchaus ausgewogenes Urteil,[7]
PFEFFEL, Nouvel abrégé chronologique 1776, S. 564.
an das, wie unten noch gezeigt wird, deutsche und französische Historiker nach dem 2. Weltkrieg anknüpften.
Ein weiteres Beispiel für Historiker mit deutsch-französischem Kulturhintergrund ist Frédéric Schoell (1766—1833), der in Straßburg bei Christoph Wilhelm Koch Geschichte studierte und als Diplomat in preußischen Diensten stand. Er zweifelt nicht daran, dass Politik über die territorialen Grenzen zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich hinweg gestaltet und ausgeübt werden könne, sofern sie dem Frieden diente, eine Haltung, die dann seit dem Ende des 18. Jahrhunderts und im 19. Jahrhundert mit zunehmender Nationalisierung der Perspektive aus dem Reservoir der Interpretationen verschwindet.[8]
SCHOELL, Histoire abrégée des traités de paix 1818, S. 42.

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3.
Sicherung der Vereinbarungen des Westfälischen Friedens inner- und außerhalb des Reiches – so lautete der durchgängige und gebetsmühlenartig wiederholte Tenor der französischen Rezeption des Rheinbundes. Diese Legitimation des Rheinbundes, die ja von den Vertragspartnern selbst kreiert und in die Präambel aufgenommen wurde, stellte die Basis der Forschungen dar. Zugleich wurde damit dem Kaiser unterstellt, dass er seinen im Doppelfrieden von Münster und Osnabrück festgesteckten Handlungsspielraum zu erweitern suchte. Sowohl in der »Histoire universelle, sacrée et profane« aus dem Jahre 1771[9]
CALMET, Histoire universelle 1771, S. 39.
wie auch in der »Histoire générale et raisonné de la diplomatie française« aus dem Jahre 1811[10]
DE RAXIS DE FLASSAN, Histoire générale et raisonné 1811, Tome 3, S. 220.
wird die Politik des Kaisers dahingehend gedeutet, dass er den 1648 abgeschlossenen Frieden missachte. Doch nicht nur als Maßnahme zur Sicherung des Westfälischen Friedens wird der Rheinbund interpretiert, sondern sogar als sein Schlusspunkt, der endgültig die letzten Spuren des zentraleuropäischen Religionskrieges beseitigt habe. Der Historiker, Romancier und Publizist Henri Martin (1810—1883) schreibt in diesem Sinn: »L‘Alliance du Rhin, qui compléta le traité de Westphalie, qui effaça les dernières traces des guerres religieuses dans l’Europe centrale, en réunissant les deux religions sous un mème étendard politique, et qui assura l’abandon de la Belgique par l’Allemagne aux armes de la France, peut être considéré comme le point culminant de la politique française vis-à-vis de l’Allemagne«.[11]
MARTIN, Histoire de France 1858, S. 510.
  

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4.
Im Reich und im späteren Deutschland und Österreich urteilten die Experten gegenüber dem Rheinbund mit Skepsis und hinterfragten die friedensstiftende Funktion des Rheinbundes. Sie sahen in den Argumenten für den Rheinbund eher Rhetorik sowie Propaganda und mutmaßten machtpolitische Hintergründe. Einer der besten deutschen Kenner des Rheinbundes, der Münchner Historiker Theodor Bitterauf (1877—1925), sieht daher in der Vorstellung, dass eine politische Verbindung mit Frankreich ohne französische Vasallenherrschaft riskiert werden könne, eine »Täuschung«.[12]
BITTERAUF, Gründung des Rheinbundes 1905, S. 4.
Und schon vorher Friedrich von Raumer (1781—1873) beispielsweise hatte geargwöhnt, dass der Rheinbund ein erfolgreiches Mittel zur Ausweitung der französischen Einflusssphäre bis ins Reich hinein gewesen wäre und die »Abhängigkeit« der Deutschen von den Franzosen förderte.[13]
RAUMER, Geschichte Europas 1834, Band 4, S. 239.
 
Der Topos von dem »Vasallenverhältnis« wurde in der deutschen Historiographie stereotyp aufgegriffen. Auch Leopold von Ranke (1795—1886) hinterfragt diese Sichtweise nicht und schreibt in seiner »Französischen Geschichte, vornehmlich im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert« (1852—1861): »Durch den Rheinischen Bund, der im Jahre 1658 geschlossen, 1660, 1663 erneuert wurde, besaß Ludwig einen Einfluß im Deutschen Reiche, welcher der Autorität des Kaisers, wenigstens in den westlichen Kreisen, entweder gleichkam oder sie vielleicht noch überwog. Der Bund hatte sich eine förmliche Verfassung gegeben; nicht allein aber der Bundesrat, sondern auch eine Reichsdeputation, welche wie dieser in Frankfurt tagte, waren in unzweifelhafter Abhängigkeit von dem König von Frankreich. Der Kurfürst von Mainz, Johann Philipp von Schönborn, war fast mehr der Kanzler des Königs als des Kaisers; er hat die Festungswerke von Mainz mit französischen Subsidien gebaut«.[14]
RANKE, Französische Geschichte 1852—56, Band 2, S. 243.

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Heinrich von Treitschke (1834—1896) führte den Rheinbund sogar als Beispiel an, um die Nachteile der frühneuzeitlichen Reichsverfassung aufzulisten und somit zugleich ein Plädoyer für den einheitlichen nationalen Flächenstaat zu geben. Er schreibt in seiner »Deutschen Geschichte«: »Die ganze Schmach der Zersplitterung [des Deutschen Reiches] zeigte sich in der Wehrlosigkeit des Reiches. [...] Jetzt, da beständig vom Westen her der Angriff drohte, lagen dicht vor Frankreichs begehrlichen Händen die schwächsten, die waffenlosen Glieder des Reiches. Die lange Pfaffengasse des Rheines entlang erstreckte sich von Münster und Osnabrück bis nach Konstanz hinauf ein Gewirr winziger Staaten, unfähig zu jeder ernsthaften Kriegsrüstung, durch das Gefühl der Ohnmacht zum Landesverrate gezwungen. Fast alle rheinischen Höfe bezogen Pensionen aus Versailles; der erste Rheinbund von 1658 ward von begeisterten Reichspatrioten als ein rühmliches Unternehmen zum Schutze deutscher Freiheit gepriesen«.[15]
TREITSCHKE, Deutsche Geschichte o.J., S. 12.
 
Auch der langjährige Direktor des Staatsarchivs Königsberg, Erich Joachim (1851—1923), konstatiert die Schwäche der Rheinbundfürsten und verbindet damit implizit die Forderung nach einem starken Deutschland. Seiner Meinung nach hatte Schönborn nicht den Hauch einer Chance, um seine politischen Ziele zu verwirklichen. Obwohl Joachim Verständnis für die Entscheidung der Rheinbundpartner hat, sich an Frankreich anstatt an Habsburg anzulehnen, macht er aber zugleich seine Präferenz für ein – man könnte sagen großdeutsches – Bündnis zwischen Deutschen im Zusammenschluss mit Brandenburg und Habsburg unmissverständlich deutlich.[16]
JOACHIM, Entwicklung des Rheinbundes 1886, S. 502.
Brandenburg, die anderen deutschen Reichsstände und Habsburg-Österreich sind für viele deutschsprachige Historiker des 19. Jahrhunderts die »natürlichen« Bündnispartner. Der Rheinbund scheint sich dieser in der deutschsprachigen Historie konzipierten historischen Ordnung zu widersetzen.

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5.
In der Historiographiegeschichte gab es stets Phasen, in denen sich deutsche und französische Positionen annäherten. Zwar finden sich schon im 19. Jahrhundert Ansätze hierzu, aber besonders nach dem 2. Weltkrieg änderte sich die Haltung deutscher und französischer Wissenschaftler zum Rheinbund maßgeblich. Die deutschen Autoren sehen in den friedensstiftenden Plänen und Aktivitäten Schönborns nun anders als im späten 19. Jahrhundert einige (Teil-)Erfolge. Und die französischen Autoren widmen sich nunmehr auch verstärkt den machtpolitischen Konsequenzen und der politischen Instrumentalisierung, die der Rheinbund den Franzosen eröffnete. Im 19. Jahrhundert ist es François-Auguste Mignet (1796—1884), zeitweise Direktor des Archivs im Ministerium des Auswärtigen, der die Position Pfeffels aus den 1770er Jahren aufgreift und den Einfluss, den Ludwig XIV. durch den Rheinbund erhielt, zugesteht. Mignet sieht im französischen Monarchen – ganz im Sinne Rankes – zur Zeit des Rheinbundes den eigentlichen Herrscher des Heiligen Römischen Reiches. Er schreibt: »[...] Louis XIV se servit pendent plusieurs années de l’ascendant que lui donnaient ses alliances et ses subsides pour diriger la politique de l’Allemagne. Il était le chef réel de l’empire. Il ne s’élevait aucune dissidence entre les membres du corps germanique, il ne survenait aucun embarras dans la conduite de ses affaires, sans qu’on recourût à sa médiation ou à sa puissance«.[17]
MIGNET, Négociation 1835, S. 20—22.
 
Doch erst seit den 1950er Jahren werden nicht nur einzelne Bausteine neu gewichtet, sondern das Bild vom Rheinbund ganzheitlich neu gezeichnet. Dabei kann sich die französische Historiographie auf ihre eigene Tradition seit dem 18. Jahrhundert berufen. Einzelne französische Stimmen – wie Pfeffel und Mignet – hatten den Rheinbund eben nicht nur als friedensstiftendes, sondern zugleich als politisches Instrument der Franzosen bewertet. Die Historikerin Claude [Marguerite-Claude] Badalo-Dulong (geb. 1922) repräsentiert diese mehrschichtige Bewertung des Rheinbundes der französischen Nachkriegszeit. Sie schreibt: »Mais l’Électeur ne se laissait pas aveugler. Dans son esprit, la Ligue du Rhin avait deux fins. Elle était d’une part, un instrument de politique intérieur; [...] Mais la Ligue était surtout un instrument de paix: Foedus defensivorum pro conservanda pace et tranquillitate imperii [...]. On aiderait la France à défendre les territoires acquis au traité de Münster s’ils se trouvaient attaqués, on s’opposerait à la jonction des Impérieux et des Espagnols, mais on ne se laisserait pas entraîner dans le conflit franco-espagnol qui continuait. Au contraire, on tâcherait d’aider à son achèvement en s’offrant comme médiateur. [...]«.[18]
BADALO-DULONG, Trente ans de diplomatie 1956, S. 29—31.
  

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Die deutsche Historiographie hatte bei diesem Prozess deutsch-französischer Annäherung den weiteren Weg zurückzulegen, denn der Rekurs auf die Historie des 18. Jahrhunderts unterblieb. Erste vorsichtige Schritte zu einer Neubewertung des Rheinbundes in Deutschland unternahm der Mainzer Historiker Martin Göhring (1903—1968), der eine in seiner Zeit keineswegs übliche europäische friedenshistorische Perspektive einnahm. Bei Göhring ist der Rheinbund zwar auch eine machtpolitische Initiative. Aber an ihrem Ende kommt ein neuer umfassender Frieden, der Pyrenäenfrieden, zustande: »Als machtpolitisches Instrument, die Einhaltung dieser und anderer Bestimmungen zu überwachen, erstand der erste Rheinbund. Vier Wochen genügten, um den Vertrag zustande zu bringen. Er war doppelt: der Zusammenschluß deutscher Fürsten zwecks Aufrechterhaltung des Westfälischen Friedens in einem Defensivbündnis. [...] Machtmäßig war also ein Teil Deutschlands um Frankreich gruppiert. Zwischen diesem und England bestand ebenfalls eine Allianz; der Kaiser war damit isoliert. Das Gesetz des Handelns ruhte bei Mazarin. Seine Staatskunst machte den weiteren Kampf Spaniens aussichtslos und nötigte es zum Pyrenäischen Frieden«.[19]
GÖHRING, Kaiserwahl und Rheinbund 1954, S. 83.
 
Vollends zu einer deutsch-französischen Interpretation des Rheinbundes gelangte endlich der Frühneuzeithistoriker Karl Otmar Freiherr von Aretin (geb. 1923), der schließlich beide Traditionen aufgriff, die der deutschen und der französischen Historiographie, und miteinander in Einklang brachte. Mit Aretin ist der deutsch-französische Dualismus in der Rheinbundforschung überwunden, wenn er den Rheinbund wie folgt bewertet: »So gesehen erfüllte der Rheinbund als erste große Assoziation alle Bedingungen, die der Westfälische Frieden an einen solchen Bund stellte. Er war gestiftet, diesen Frieden zu erhalten und er sollte den Kaiser abhalten, die Ordnung des Westfälischen Friedens zu verändern. [...] Tatsächlich hat der Rheinbund, indem er das Reich sowohl aus dem spanischen als auch später aus dem Nordischen Krieg hielt, Deutschland über zehn Jahre eine ruhige und friedliche Entwicklung ermöglicht«.[20]
ARETIN, Reich 1986, S.182

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LITERATURVERZEICHNIS

ARETIN, Karl Otmar Freiherr von: Das Reich. Friedensgarantie und europäisches Gleichgewicht: 1648-1806, Stuttgart 1986.

BADALO-DULONG, Claude: Trente ans de diplomatie francaise en Allemagne: Louis XIV. et l’Electeur de Mayence (1648—1678), Paris 1956.

BITTERAUF, Theodor: Die Gründung des Rheinbundes und der Untergang des alten Reiches, München 1905.

CALMET, Augustin: Histoire universelle, sacrée et profane depuis le commencement du monde jusqu‘a nos jours, Tome 17, Nancy 1771.

DUCHHARDT, Heinz / PETERS, Martin (Hg.): https://www.ieg-friedensvertraege.de (eingesehen am 1. November 2008).

DUCHHARDT, Heinz: Der Friede von Rijswijk in der Perspektive der Nachwelt, in: Heinz Duchhardt (Hg.): Der Friede von Rijswijk 1697 in Verbindung mit Matthias Schnettger und Martin Vogt, Mainz 1998 (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Abteilung Universalgeschichte, Beiheft 47).

GÖHRING, Martin: Kaiserwahl und Rheinbund von 1658: ein Höhepunkt des Kampfes zwischen Habsburg und Bourbonen um die Beherrschung des Reiches, Wiesbaden 1954.

HEISS, Johann von: Histoire de L’Empire, contenant son origine, son progrès, ses révolutions, Tome Troisième, Amsterdam 1733.

JOACHIM, Erich: Die Entwicklung des Rheinbundes vom Jahre 1658, Leipzig 1886.

MARTIN, Henri: Histoire de France, depuis les temps les plus reculés jusqu’en 1789, Tome XII, Quatrième Édition, Paris 1858.

MIGNET, François-Auguste: Négociation relatives à la succession d‘ Espagne sous Louis XIV, T. 2, 1835—42.

PETERS, Martin: Interpretationen des Rheinbundes im Wandel der Zeit. Aus: Der Erste Rheinbund (1658), in: historicum.net, URL: http://www.historicum.net/no_cache/persistent/artikel/5963/ (eingesehen am 1. November 2008).

PETERS, Martin / SEELMANN, Peter: Einführung. Aus: Der Erste Rheinbund (1658), in: historicum.net, URL: http://www.historicum.net/no_cache/persistent/artikel/6061/ (eingesehen am 1. November 2008).

PFEFFEL, Christian Friedrich: Nouvel abrégé chronologique de l’histoire et du droit public d‘Allemagne, Tome Premier, Paris 1776.

RANKE, Leopold von: Französische Geschichte, vornehmlich des 16. und 17. Jahrhunderts, Band 2., 1852—56.

RAUMER, Friedrich von: Geschichte Europas seit dem Ende des funfzehnten Jahrhundert, 4. Band, Leipzig 1834.

RAXIS DE FLASSAN, Gaëtan de: Histoire générale et raisonné de la diplomatie française ou de la politique de la France, Tome 3: Depuis la fondation de la monarchie, jusqu’à la fin du règne de Louis XVI, seconde édition, corrigée et augmentée, Paris/Straßburg 1811.

SCHOELL, Frédéric: Histoire abrégée des traités de paix, entre les puissances de l’Europe, depuis la Paix de Westphalie, par Guillaume de Koch, ouvrage entieèrement refondu, augmenté et continuié jusqu’au congrès de Vienne et aux traités de Paris de 1815, Tome Treizième, Paris 1818.

TREITSCHKE, Heinrich von: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, Essen o.J., S.12.
 


ANMERKUNGEN

[*] Dr. Martin Peters, Koordinator und Sprecher des Projektes »Europäische Friedensverträge der Vormoderne online« (Institut für Europäische Geschichte, Mainz)

[1] DUCHHARDT, Rijswijk 1998, S. 314.

[2] Genannt seinen die Editionen im »Theatrum Europaeum« sowie  in den Sammelwerken von Fréderic Léonard, Jean Dumont, Johann Christian Lünig und Henri Vast. – Die Unterhändlerinstrumente in digitaliserter Form sowie eine moderne Edition von Andrea Schmidt-Rösler sind online verfügbar, siehe DUCHHARDT / PETERS, www.ieg-friedensvertraege.de.

[3] Vergleiche jetzt PETERS, Interpretationen des Rheinbundes 2008.

[4] PETERS/SEELMANN, Einführung 2008.

[5] Dabei hatte der bei Abschluss des Rheinbundes junge König noch gar nicht die politischen Fäden in eigenen Händen.

[6] HEISS, Histoire de L’Empire 1733, S. 228—229.

[7] PFEFFEL, Nouvel abrégé chronologique 1776, S. 564.

[8] SCHOELL, Histoire abrégée des traités de paix 1818, S. 42.

[9] CALMET, Histoire universelle 1771, S. 39.

[10] DE RAXIS DE FLASSAN, Histoire générale et raisonné 1811, Tome 3, S. 220.

[11] MARTIN, Histoire de France 1858, S. 510.

[12] BITTERAUF, Gründung des Rheinbundes 1905, S. 4.

[13] RAUMER, Geschichte Europas 1834, Band 4, S. 239.

[14] RANKE, Französische Geschichte 1852—56, Band 2, S. 243.

[15] TREITSCHKE, Deutsche Geschichte o.J., S. 12.

[16] JOACHIM, Entwicklung des Rheinbundes 1886, S. 502.

[17] MIGNET, Négociation 1835, S. 20—22.

[18] BADALO-DULONG, Trente ans de diplomatie 1956, S. 29—31.

[19] GÖHRING, Kaiserwahl und Rheinbund 1954, S. 83.

[20] ARETIN, Reich 1986, S.182



ZITIEREMPFEHLUNG

Peters, Martin, Der Rheinbund von 1658 – Der schwierige Weg zu einer europäischen Perspektive, in: Publikationsportal Europäische Friedensverträge, hrsg. vom Institut für Europäische Geschichte, Mainz 2008-11-18, Abschnitt 1–8.
URL: <https://www.ieg-friedensvertraege.de/publikationsportal/espenhorst-martin-rheinbund-2008>.
URN: <urn:nbn:de:0159-2009041417>.

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Erstellungsdatum: 18.11.2008
Zuletzt geändert: 15.04.2009